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Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Wissenschaftshistorische Gerätesammlung [K/G-0001]
Christian Möllinger, Alte Akademieuhr, 1787, Inv. Nr. K/G-0001 (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften CC BY)
Herkunft/Rechte: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften / Oliver Ziebe, Berlin (2020) (CC BY)
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Christian Möllinger, Alte Akademieuhr, 1787, Inv. Nr. K/G-0001

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Beschreibung

Ein schlichtes, schwarz gestrichenes Eisengestell trägt heute das Werk der Akademieuhr, des einst berühmtesten und ganggenauesten Berliner Zeitmessers. Von 1787 bis 1872 war sie die einzige Normaluhr der preußischen Hauptstadt, nach der sich alle anderen öffentlichen und privaten Uhren auf Anweisung des Berliner Magistrats zu richten hatten.
Auf Anregung des Direktors des Berliner Observatoriums Johann Elert Bode (1747-1826) beauftragte die Akademie der Wissenschaften Christian Möllinger 1787 mit der Anfertigung dieser durch direkte astronomische Beobachtungen regulierten Präzisionspendeluhr. Sie wurde im mittleren Fenster des alten Akademiegebäudes über dem Hauptportal angebracht. Ursprünglich besaß sie zwei Zifferblätter: Eines zeigte in den Sitzungssaal, das andere, für die Öffentlichkeit bestimmte, zur Straße Unter den Linden. Der für diese und andere Präzisionsuhren vielgerühmte Akademische Künstler Möllinger wurde nach der Inbetriebnahme dieses Instruments von König Friedrich Wilhelm II. zum Hofuhrmacher ernannt.
1903, als das alte Akademiegebäude abgerissen wurde, baute man die Uhr aus und gab sie zunächst beim Hofuhrmacher Friedrich Tiede, ab 1913 beim Hofuhrmacher Adolf Oppermann in Verwahrung. 1930 ließ die Akademie die Uhr von der Turmuhrenfabrik C. F. Rochlitz reparieren, die Firma stellte zu dieser Zeit auch das oben beschriebene Gestell her. Anschließend gelangte sie als Exponat in die Ausstellung „Altes Berlin, Fundamente der Weltstadt“ im Märkischen Museum. Dort verblieb sie in den folgenden Jahrzehnten bis 1997 und gelangte dann an das Archiv der Akademie zurück. Nach der Restaurierung 2001 durch Burkhard Schlänger kann sie seit 2013 wieder im Foyer des Akademiegebäudes am Gendarmenmarkt besichtigt werden. (Silke Kiesant)

Beschriftung/Aufschrift

auf dem Zifferblatt: Christian Möllinger in Berlin

Vergleichsobjekte

Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Inv. Nr. V 48, Christian Möllinger, Astronomische Bodenstanduhr mit Flötenwerk, 1791
Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv. Nr. II 61/151 J, Christian Möllinger, Bodenstanduhr mit Flötenwerk, Anfang 19. Jahrhundert
Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv. Nr. SM 2011-0798, Christian Möllinger, Bodenstanduhr mit Flötenwerk, 1797

Material/Technik

Stahl, Messing, Zinn, Gewichte: Blei mit Messing ummantelt an Stahlseilen

Maße

Gestell: Höhe 171 cm mit Zifferblatt, Gestell ohne Zifferblatt: Höhe 130 cm

Ausführliche Beschreibung

Das aus vier trapezförmig zulaufenden Eisenstangen konstruierte Gestell, das unten durch Querstreben verstärkt ist, trägt im oberen Bereich das Uhrwerk mit dem Zifferblatt sowie die Aufhängung für das Rostpendel. Vorhanden ist heute nur noch das Zifferblatt aus englischem Zinn, das in den Sitzungssaal der Akademie zeigte. Die ehemals zugehörige Lünette mit Verglasung ging verloren, jedoch sind an der Blindplatine noch die Befestigungslöcher für die Scharniere zu erkennen. Das zweite, größere Zifferblatt aus transparentem Glas, das an der Außenseite des Akademiefensters angebracht und nachts beleuchtet war, zerbrach beim Ausbau der Uhr 1903 und ist verloren (siehe untenstehender Link: Hauptportal des alten Akademiegebäudes, Unter den Linden).
Das viereckige Vollplatinenwerk aus Messing (H: 31,1 cm; B: 32,2 cm; Werkpfeiler-H: 12,2 cm; Platinenstärke: 0,44 cm; Werkpfeiler mit verdickter Mitte und Ansätzen zu den Platinen, genauso gestaltet wie die Pfeiler zwischen Blind- und Vorderplatine) ist mit einem Achttagegehwerk, Scherenhemmung sowie einem Kompensationsrostpendel mit Pendelfeder ausgestattet. Das Pendel besteht aus insgesamt neun rostförmig zusammengefügten Stäben: fünf aus Stahl und vier aus Messing. Die Zusammenstellung dieser beiden Metalle führt zu einer Verminderung des Einflusses von Wärme und Kälte auf die Länge des Pendels und damit zu einer sehr hohen Ganggenauigkeit. Die 25 Kilogramm schwere Pendellinse hat einen Durchmesser von 34 cm. Das mit Messing ummantelte Bleigewicht hängt an Stahlseilen.
Eine Blindplatine aus Eisen (D: 52,5 cm) dient als Unterlage für das leicht schüsselförmige Zinn-Zifferblatt (D: 49 cm). Es weist große schwarze römische Stunden-, kleinere arabische Fünfminutenziffern auf, außerdem eine Minuterie mit Strichen – bei den Fünfminuten mit Punkten – sowie ein Aufzugsloch zwischen VIII und IX. Die beiden heute noch vorhandenen, durchbrochen gearbeiteten Zeiger aus vergoldetem Messing für Minuten- und Stundenanzeige sind vermutlich nachträglich zur Sicherung auf schmale Stahlunterlagen genietet.
Dem Angebot Möllingers zum Bau der Uhr sowie den historischen Dokumenten zufolge besaß die Akademieuhr aber ursprünglich an beiden Zifferblättern jeweils vier „Weiser“ zur Angabe der Zeitgleichung (Äquation): einen Stunden-, zwei Minuten- und einen Sekundenzeiger. Damit gab sie sowohl die wahre Zeit nach der Sonnenuhr an, bei der die Sonnenstunden je nach Jahreszeit nicht gleich lang sind, als auch die mittlere Zeit mit 24 gleich langen Stunden. Die von den Astronomen der Königlichen Sternwarte beobachtete und errechnete Zeit übertrug der jeweilige Stadtuhrmacher an jedem Sonntagvormittag auf seine Präzisionstaschenuhr. Mit dieser stellte er zuerst die Akademieuhr und nachfolgend die in seiner Verantwortung liegenden öffentlichen Uhren.
Schon vier Wochen nach der Installation der Akademieuhr im Oktober 1787 häuften sich die Beschwerden der Berliner Bevölkerung. Es kam zu Missverständnissen wegen der doppelten Zeitangabe. Unter Möllingers Protest, der um seinen guten Ruf fürchtete, beugte sich die Akademie dem Unmut der Berliner und entschloss sich dazu, am äußeren Zifferblatt einen Minuten- und den Sekundenzeiger zu entfernen. Somit wurde dort nur noch die wahre Zeit, die damals in Berlin als Richtschnur galt, in Stunden und Minuten angezeigt. Zusätzlich wurde noch eine Sonnenuhr an der Fassade zur Straße Unter den Linden installiert. Am inneren Zifferblatt im Sitzungssaal verblieben die vier Zeiger für die Akademie-Experten. Erst Ende 1810 wurde die Akademieuhr, wie alle Uhren in der Stadt Berlin, auf die mittlere Zeit umgestellt. Am 1. Januar 1811 berichtete Christian Möllinger in der Haude- und Spenerschen Zeitung, dass er an der Akademieuhr doch noch einen besonderen Mechanismus für die Sekundenanzeige hinzugefügt habe: „(…) In dem Augenblicke nämlich, da in dem Innern des Werkes die 3600ste, also die letzte Secunde von der verflossenen Stunde eintritt, fällt plötzlich ein vergoldeter über der Uhr schwebender Flügel auf den Ring über der Spitze des Minutenzeigers nieder, und es zeiget also in diesem Augenblick das Werk, Stunden, Minuten und selbst Secunden der mittleren Zeit an (…).“ Von dieser Einrichtung ist freilich heute nichts mehr vorhanden. Auch sieht man an dem noch verbliebenen Werk äußerlich nicht, wie die beiden zusätzlichen Zeiger montiert gewesen waren. Aufschluss hierüber brächte nur eine gründliche Untersuchung und zu diesem Zweck eine Demontage des Werks. (Franka Görike, Silke Kiesant)

Literatur

  • Abeler, Jürgen (2010): Meister der Uhrmacherkunst. Wuppertal, S. 388
  • Anonymus (1811): [Anzeige von Möllinger zur Akademieuhr]. In: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude- und Spenersche Zeitung) 1 (1. Januar 1811)
  • Anonymus (1826): Nekrolog (Auszug aus der Spenerschen Zeitung vom 9. Februar 1826). In: Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen 5 (1826), S. 57f.
  • Anonymus (o.J.): Berlin-Brandenburgische Akamie der Wissenschaften, Archiv, Sign. I-III-105, Bl. 4-11, 13 und II-XV-12. o.O.
  • König, Gerhard (1988): Uhren und Uhrmacherei in Berlin. Geschichte der Berliner Uhren und Uhrmacher 1450-1900. Berlin, S. 34, 73
  • Löschburg, Winfried (2003): Möllingers Akademieuhr von 1787 und ihre Schicksale. In: Der Bär von Berlin. Jahrbuch des Vereins für die Geschichte Berlins, hrsg. v. Sibylle Einholz und Jürgen Wetzel 52 (2003), S. 21-30
  • Sauter, Michael J. (2007): Clockwatchers and Stargazers: Time Discipline in Early Modern Berlin. In: The American Historical Review 112,3 (Jun., 2007), S. 685-709
  • Schwemin, Friedhelm (2006): Der Berliner Astronom. Leben und Werk von Johann Elert Bode 1747-1826 (= Acta Histoirca Astronomiae; 30). Frankfurt/Main, S. 39
  • Stengel, Walter (1931): Märkisches Museum. Kulturgeschichtliche Erwerbungen des Jahres 1930. Berlin
Karte
Hergestellt Hergestellt
1787
Christian Möllinger
Berlin
Besessen Besessen
1787
Preußische Akademie der Wissenschaften
Berlin
Restauriert Restauriert
1930
C. F. Rochlitz Turmuhren
Berlin
Restauriert Restauriert
2001
Burkhard Schlänger
Berlin
1786 2003
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

Objekt aus: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW) blickt unter wechselnden Namen auf eine bewegte Geschichte zurück. Sie wurde 1992...

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