Repräsentatives Halbporträt des bekannten Theologen Emil Gustav Lisco (1819-1887), seit 1845 Pfarrer an der Berliner Marienkirche, später wegen theologischer Differenzen gemaßregelt und suspendiert, nach links in Pfarrerornat. Sabine Graef wurde von ihm konfirmiert, seine Tochter Hedwig Lisco war ihre Jugendfreundin. Das Porträt fällt in ihre Ausbildungszeit bei dem Berliner Maler Carl Gussow 1884-1886, bei dem sie in kurzer Zeit das Handwerkliche erlernte, zu dem das väterliche Atelier natürlich schon Grundlagen gelegt hatte. So mag es sich um einen der ersten Aufträge an die junge Malerin handeln, vielleicht auch vermittelt von ihrem Vater. Dass es sich eher um eine Brotarbeit oder eine Gefälligkeit handelte, wird auch daran erkennbar, dass sie die Konfirmation nach ihren eigenen schriftlichen Zeugnissen nicht gerade als "Erweckung" oder Bestätigung ihres Künstlertums, das sie zeitig in sich fühlte, in Erinnerung behalten hat. Nur noch ein weiteres Porträt aus dieser frühen Zeit hat sich erhalten, ein Jugendbildnis Walther Rathenaus, das weitaus stärker ihre Kraft und ihren Gestaltungswillen ausdrückt, den auch das ebenfalls 1885 entstandene Selbstbildnis (Alte Nationalgalerie Berlin) zeigt.
Erworben 1965 als Schenkung der Familie Lisco für das Berlin Museum.
Bezeichnet re. o. eigenhändig "Sabine Graef", rückseitig auf dem Keilrahmen signiert "Sabine Graef Gustav Lisco / 1819-1897".
Literatur: Stiftung Stadtmuseum Berlin. Gemälde II,2. Bearb. von Dominik Bartmann. Berlin 2004, Nr. 293 m. Abb. - Annette Dorgerloh: Das Künstlerehepaar Lepsius. Zur Berliner Porträtmalerei um 1900. Berlin 2003, S. 65, 88f., 104.