Ganzkörperliche Schwarz-Weiß-Fotografie einer unbekleideten Frau. Sie ist fast frontal vor einem neutralen Hintergrund abgebildet, die Arme hält sie unter der Brust verschränkt. An den Armen, am Hals und an den Fußgelenken trägt sie Ketten bzw. Ringe, um die Hüfte eine Kette mit einem Lendenschurz.
Weil heute nicht mehr nachvollzogen werden kann, unter welchen Umständen bzw. zu welchen Bedingungen diese Fotografie entstand, wird die Abbildung hier nur zum Teil in Klarform gezeigt.
Kontext:
Die Abbildung der Person wurde in der Publikation „Geschlechtsübergänge“ als Beispiel einer sog. „Androsphysie“, „Androgynie“ bzw. „Mannweibigkeit“ genutzt. Dieses Konzept, das hier von Magnus Hirschfeld, Sexualwissenschaftler und Sexualreformer genutzt wird, stuft einen weiblichen Körper als von gesetzten Standards abweichend ein. Die betrifft z. B. – wie in diesem Fall geltend gemacht – das Verhältnis von „Beckenlinie“ zur „Schulterlinie“ (vgl. Hirschfeld: Geschlechtsübergänge, Text vor Tafel XVII). Dies ist im Kontext des von Hirschfeld entwickelten „Zwischenstufenkonzepts“ zu verstehen, das u. a. auch mit Körpermaßen arbeitete. Der „Zwischenstufentheorie“ lag die Annahme zugrunde, dass menschliche Eigenschaften eine männliche oder eine weibliche Ausprägung aufwiesen, die sich messen ließe, darunter auch Körpergröße, Knochen, Schädel, Becken, Gelenke, Muskulatur, usw.
Allgemein und sehr verkürzt gesagt, beschreibt das Konzept der Zwischenstufen die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstigen körperlichen Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstigen seelischen Eigenschaften.
Mit diesem Konzept verlagerte Hirschfeld bereits 1907 das biologisch-genitale Geschlecht hin zu einem, das u. a. auch auf der erlebten Identität beruhte. Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, R. (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher ging damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.
Da die abgebildete Person laut Bildunterschrift vermutlich aus Makave/Tonga stammt, ist das Bild darüber hinaus in einem kolonialistischen Kontext zu betrachten.