Trichterförmige Kuppa aus dickwandigem farblosen Glas, der Schaft abgebrochen, Lippenrand verwärmt. Auf der Wandung die tiefgeschnittene Darstellung einer unbekleideten Mänade, die sich den Zudringlichkeiten eines Satyrs durch Flucht in die Arme eines nackten Mannes entzieht. Der Satyr hat mit der rechten Hand bereits ihr Gewand und mit der linken ihren Fuß ergriffen. Auf der gegenüberliegenden Wandung eine Tempelruine, von Bäumen überwachsen. Oberhalb des Baumstamms trägt die rechte der Säulen mit korinthischen Kapitellen das kleine Monogramm „I H“ (das I in das H eingestellt).
Die Zuschreibung an den in Berlin tätigen Glasschneider bzw. Glashändler Heinrich Jäger aus dem böhmischen Reichenberg durch Robert Schmidt wurde vielfach diskutiert (Schmidt, Brandenburgische Gläser, 1914, S. 77f.; Charleston, The monogrammist "HI", 1962, S. 67f.; Netzer, Herrliche Künste und Manufacturen, 2001, S. 270f.). Sabine Tiedtge hat den Arnstädter Glasschneider Jacob Hartmann anlässlich der 90. Jahrestagung des Fachausschusses V der DGG im GNM vorgeschlagen. Obgleich sich die Arbeit nicht zweifelsfrei einem bekannten Meister zuschreiben lässt, zählt sie in ihrer lebendigen Bewegtheit zu den Höhepunkten der barocken Glaskunst. Das offen erotische Moment der Szene und seine Verortung in die Antike gehörte zum poetischen Spiel der zeitgenössischen höfischen Kunst, in der die ästhetische Präsentation gern im Mythologischen, im Fiktionalen verharrte. Das Glas gehört zum Altbestand des Museums; es wurde 1885 angekauft. [Verena Wasmuth]