museum-digitalberlin
STRG + Y
de
Industriesalon Schöneweide Ausstellung "Produktion & Propaganda = Produktionspropaganda am Beispiel der Betriebszeitung WF-Sender

Ausstellung "Produktion & Propaganda = Produktionspropaganda am Beispiel der Betriebszeitung WF-Sender

Über die Sammlung

Die Ausstellung findet vom 1. Juli bis 19. August 2023 im Industriesalon Schöneweide statt.
Was sind Betriebszeitungen?
In allen Großbetrieben der DDR erschienen Betriebszeitungen. Die Zeitungsdatenbank ZDB nennt rund 460 verschiedene Betriebszeitungen aus der DDR, die sich in deutschen Bibliotheken befinden. Davon sind nur noch ca. 80 weitgehend vollständig vorhanden.
Herausgegeben wurden die Betriebszeitungen von der SED-Betriebsparteiorganisation (BPO) des jeweiligen Werkes. Als Organe der Betriebsparteiorganisationen dienten sie genauso wie alle anderen Presseerzeugnisse der Propagierung der Ideen und Ziele der SED, sollten aber, um die Werktätigen in dem jeweiligen Betrieb zu erreichen, dabei an die Erfahrungen und Lebenswelt der Betriebsangehörigen anknüpfen und sich als ‚ihr‘ Sprachrohr präsentieren.
Wichtigste Aufgabe einer Betriebszeitung war es, „Durch die Steigerung der Arbeitsproduktivität und die allseitige Durchsetzung des wissenschaftlich-technischen Höchststandes im Betrieb durch die Senkung der Selbstkosten und die Erhöhung der Qualität der Erzeugnisse die materiell-technische Basis für den Sieg des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik schaffen zu helfen.“ Damit eng verzahnt war die „Förderung der sozialistischen Gemeinschaftsarbeit“ und die Formung „des neuen Menschen der sozialistischen Epoche“. (Verband der Deutschen Journalisten, Handbuch für Betriebszeitungs-Redakteure, unter Mitarbeit von Margarete Diegeler u.a., Redaktionskommission: Gisela Breuch u.a., 1962, S. 109)
Außerdem sollte den Betriebsangehörigen die große Politik der SED nahegebracht werden durch Artikel über die Außen- und Innenpolitik, die weitgehend auch sprachlich die Diktion der SED übernahmen. Zu den Aufgaben der Betriebszeitung gehörte es daher auch - vor allem vor dem Bau der Mauer -, der Belegschaft immer wieder einzuhämmern, wie schlecht Arbeiter in der BRD und in West-Berlin behandelt würden, wie verwerflich der ‚bundesdeutsche Imperialismus‘ und wie gut die sozialen Leistungen für die Werksangehörigen der DDR wären, um zu verhindern, dass qualifizierte Facharbeiter in die BRD abwanderten.
Ehrenamtliche aus den verschiedensten Abteilungen des Werks, sogenannte ‚Volkskorrespondenten‘, sollten für das notwendige ‚Lokalkolorit‘ sorgen, um den Lesern den Eindruck zu geben, dass diese Zeitung von ihren eigenen Kollegen verfasst wurde, um ihr – und der darin enthaltenen Parteipropaganda - eine größere Realitätsnähe zu geben. Spezielle Frauen- und Jugendredaktions-Kollektive sollten sicherstellen, dass sich auch diese Zielgruppen von der Betriebszeitung angesprochen fühlten.
Des Weiteren gab es, um die Leser bei der Stange zu halten – und sie zum ‚sozialistischen Menschen‘ zu erziehen, Unterhaltungsseiten mit Kreuzworträtseln, Schachanweisungen, Sportberichten, Filmbesprechungen, Informationen zu Veranstaltungen des Kulturhauses etc.
Immer wieder wurde im Handbuch auch darauf hingewiesen, dass bei der Erfüllung der Aufgaben einer Betriebszeitung sich die Redakteure auf den jeweiligen Betrieb ausrichten und die Aufgaben „schöpferisch“ vermitteln müssten. Das heißt, die generelle Linie, was thematisch behandelt werden musste, war vorgegeben, aber wie die Betriebszeitungen einzelner Betriebe das umsetzen, war unterschiedlich.
Die Formate wechselten in den 40 Jahren. Mal erschien die Zeitung wöchentlich, phasenweise auch nur alle zwei Wochen, mal umfasste sie 4, mal 8 und manche Sonderausgabe sogar 12 oder 16 Seiten.
Auch das Werk für Fernsehelektronik gab von Dezember 1949 bis Juni 1990 eine Betriebszeitung , den ‚WF-Sender‘, heraus, von denen außer dem Jahrgang 1953 alle Ausgaben im Industriesalon erhalten geblieben sind. Außerdem befinden sich im Industriesalon auch weitere Betriebszeitungen wie alle Ausgaben der Betriebszeitung des TRO (Der Trafo), darüber hinaus Jahrgänge der Betriebszeitungen des Funkwerks Köpenick (Der Friedenssender), des Kabeltrommelwerks (Die Kabeltrommel) und des KWO (Das Kabel).
Der WF-Sender wurde in dem 1962 veröffentlichten ‚Handbuch für Betriebszeitungs-Redakteure‘ immer wieder als vorbildhaftes Beispiel angeführt, was nicht verwunderlich ist. Margarete Diegeler, die an erster Stelle als Mitarbeiterin des Handbuchs genannt wurde, war 1961/62 leitende Redakteurin des WF-Senders. Insofern stellte der WF-Sender zumindest in diesen Jahren das Ideal einer Betriebszeitung dar.
Wie stark die Wirkung auf die Belegschaft war, ist schwer abzuschätzen. Von Zeitzeugen aus dem Werk für Fernsehelektronik (WF) wissen wir, dass spätestens ab den 1970er Jahren häufig Exemplare kostenfrei in der Kantine auslagen und viele die Betriebszeitung in die Hand nahmen, und sei es nur, um die Sportnachrichten zu lesen.
2020 konnte der Industriesalon sowohl alle Ausgaben des ‚WF-Sender‘ als auch die Betriebszeitung des TRO, ‚Der Trafo‘, dank der finanziellen Unterstützung des Berliner Beauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur digitalisieren und auf der Museumsdatenbank ‚museum digital‘ der Öffentlichkeit zugänglich machen.

[Stand der Information: ]