Das Foto zeigt die Waisenstraße Ecke Parochialstraße im August 1901. Das Haus auf der linken Straßenseite steht heute in einer hellen Gasse in Berlin-Mitte. Nichts erinnert mehr an den „Bullenwinkel“, wie man früher Sackgassen nannte, in die die Bauern ihr Schlachtvieh zum Verkauf zusammentrieben.
Heinrich Zille, dem die Aufnahme zugeschrieben wird, ist vor allem als Zeichner und Grafiker bekannt. Künstlerisch trat er erst ab 1907 in Erscheinung, nachdem er nach dreißigjähriger Tätigkeit als Lithograf entlassen wurde. Zilles humorvolle und sozialkritische Bilder des Berliner „Milljöhs“ mit pointierten Bildunterschriften und Anekdoten wurden mit großer Popularität in Zeitschriften und Satireblättern wie „Simplicissimus“ oder „Jugend“ verbreitet.
Von 1882 bis 1906 soll sich Zille auch der Fotografie zugewandt haben, wenn auch ohne künstlerischen Intention. Das fotografische Werk aus seinem Nachlass wurde daher erst spät registriert. Die Aufnahmen nehmen Zilles Interesse am Berliner Volksleben abseits des kaiserlichen Prunks vorweg. Die Perspektive als stiller Beobachter lässt Motive wie die Waisenstraße äußerst modern wirken.
Die Artothek besitzt einen vergrößerten Abzug vom Originalnegativ aus der Photographischen Sammlung der Berlinischen Galerie, der 1997 als einmalige Auflage für Griffelkunst entstand.