Die Radierung „Gedächtniskirche II“ zeigt den Blick auf die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Breitscheidplatz von der Budapester Straße aus. Sie ist Teil einer 1994 entstandene Serie zu dem Sakralbau. Das Blatt „Gedächtniskirche I“ stellt exakt die gleiche Perspektive in abweichender Ausführung dar. Während Blatt I das Motiv auf dünne Umrisse reduziert, spielt Blatt II mit überlagerten Flächen in grau, schwarz und weiß. Die Werke verfolgen kein topographisches Interesse, sondern zerlegen das Bauensemble in seine geometrischen Grundformen. Die Linienführung ist dabei expressiv und unruhig.
Klaus Roenspieß lebte und arbeitete von 1935 bis 2021 in Berlin, sein ganzes Leben. Er studierte etwa ein Jahr lang an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Als DDR-Bürger hatte er natürlich 28 Jahre lang keine Möglichkeit die Westseite seiner Heimatstadt zu besuchen. Die Begehung des neuen Bauensembles von Egon Eiermann dürfte somit noch immer eine ungewohnte Erfahrung gewesen sein. Obwohl nicht vollkommen vom DDR-Establishment abgewandt, ging Roenspieß stilistisch schon früh seinen eigenen Weg und entging damit der Instrumentalisierung des Staates.