Schwarz-Weiß-Fotografie, die Josephine Buda vom Kopf bis etwa zur Brust zeigt. Sie trägt ein Kleid, das an den Ärmeln sowie am Dekolleté von einem durchsichtigen, weitmaschigen Stoff gefertigt ist. Am Hals trägt sie ein breites Schmuckband sowie eine lange Kette mit einem Anhänger. Sie wurde frontal fotografiert, ihren Blick richtet sie rechts an der Kamera vorbei. Der Hintergrund ist neutral.
Kontext:
Porträts wie das von Madame Delait wurden in der zeitgenössischen Literatur zumeist im Kontext sog. „Bartfrauen“ bzw. „Bartdamen“ abgebildet. Auch Magnus Hirschfeld, Sexualwissenschaftler und Sexualreformer nutzte Abbildungen von „bärtigen Frauen“ in seiner Publikation „Geschlechtsübergänge“ im Kapitel „Androtrichie. Feminae barbatae.“ Dort schreibt er: „Zu den häufigsten und augenfälligsten Geschlechtsübergängen gehören die der Behaarung, einem […] besonders wichtigen sekundären Geschlechtscharakter.
Um sich von der Häufigkeit des „Frauenbartes" eine Vorstellung zu machen, ist es nur nötig, die Annoncenteile der Zeitungen zu durchsehen. Ich sammelte einige Wochen die Inserate, in denen die Entfernung weiblicher Barte mittelst Elektrolyse, Enthaarungswassern, Depilatorien und anderen Methoden angepriesen wird und fand, daß sich in Berlin Dutzende von Personen diesem anscheinend recht einträglichen Erwerbszweig widmen.“ (vgl. Hirschfeld: Geschlechtsübergänge, Text vor Tafel XIV)
Bilder von „Frauen mit Bärten“ waren auch Teil der Bilderwand „Sexuelle Zwischenstufen“, die vermutlich zum ersten Mal 1922 auf der „Hundertjahrfeier deutscher Naturforscher und Ärzte“ in Leipzig und dann im Institut für Sexualwissenschaft gezeigt wurde. Der Gründer des Instituts, Magnus Hirschfeld, wollte mit der Bilderwand seine um 1910 vorgelegte „Zwischenstufentheorie“ veranschaulichen und untermauern.
Sehr verkürzt gesagt, beschreibt das Konzept der Zwischenstufen die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstige körperliche Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstige seelische Eigenschaften.
Mit diesem Konzept verlagerte Hirschfeld bereits 1907 das biologisch-genitale Geschlecht hin zu einem, das u. a. auch auf der erlebten Identität beruhte. Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, Rainer (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher ging damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.