Schwarz-Weiß-Fotografie, auf dem ein unbekleideter Mann zu sehen ist, der erhöht auf einer Stoffunterlage sitzt. Er wurde von der Seite fotografiert, den Kopf hat er in Richtung der Kamera gedreht, sein Blick geht nach oben links. Seine Hände liegen beide neben seinem Schenkel auf der Unterlage auf der von der Kamera abgewendeten Seite. Der Hintergrund ist neutral.
Kontext:
Dieses Bild wurde in sehr vielen Publikationen abgedruckt. Ursprünglich stammt es vermutlich aus dem Kontext der Aktfotografie. Es existiert mindestens eine weitere Variante dieses Fotos, das einen Hintergrund mit Blumen zeigt. Möglicherweise wurde die hier abgebildete freigestellte Variante verwendet, um sie „medizinischer“ bzw. „neutraler“ aussehen zu lassen.
Das Foto kann im Kontext der sog. „Zwischenstufentheorie“ des Sexualwissenschaftlers und Sexualreformers Magnus Hirschfeld gelesen werden. Sehr verkürzt gesagt, beschreibt das Konzept der Zwischenstufen die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstige körperliche Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstige seelische Eigenschaften.
Mit diesem Konzept verlagerte Hirschfeld bereits 1907 das biologisch-genitale Geschlecht hin zu einem, das u. a. auch auf der erlebten Identität beruhte. Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, Rainer (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher ging damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.
Laut Bildunterschrift handelt es sich hier um einen Männerkörper, der als Beispiel einer „Gynosphysie“ angesehen wurde. Damit wurden männliche Körper bezeichnet, die auf dem gedachten Geschlechterkontinuum mehr im weiblichen als im männlichen Spektrum verortet wurden, bzw. als „weiblich“ festgelegte Körpermerkmale aufwiesen. Zuweilen wurde diesen sog. „femininen“ Männern Homosexualität zugeschrieben.