Der Berliner Bürgermeister Ernst Reuter (1889-1953) ging während der Berlin-Blockade 1948 mit seiner Rede „Ihr Völker der Welt…“ vor dem zerstörten Reichstag in die Geschichte ein. Seit 1912 Mitglied der SPD, beteiligte sich Reuter nach seiner Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft und der darauffolgenden Tätigkeit als Volkskommissar im Siedlungsgebiet der Wolgadeutschen in Saratow ab 1918 am Aufbau der KPD in Deutschland. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über die Parteilinie folgte 1922 der Parteiausschluss, woraufhin Reuter in die SPD zurückkehrte, für die er von 1926 bis 1931 als Stadtrat für das Verkehrswesen in Berlin arbeitete. Anschließend war er Oberbürgermeister von Magdeburg, bis er 1932 in den Reichstag gewählt wurde. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde Reuter als Staatsfeind aus seinen Ämtern entlassen und bis September 1934 zweimal in das KZ Lichtenburg bei Torgau eingewiesen. Anschließend gelang ihm 1935 die Flucht aus Deutschland über Großbritannien ins türkische Exil. In Ankara arbeitete Reuter im Wirtschafts- und Verkehrsministerium sowie ab 1938 als Dozent für Stadtplanung. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte der Politiker 1946 nach Berlin zurück, wo er von 1947 bis zu seinem Tod 1953 das Amt des Berliner Bürgermeisters innehatte.
Da zu Lebzeiten weder ein Bildnis noch eine Plastik von Ernst Reuter angefertigt wurde, regte seine Witwe Hanna Reuter an, dieses Versäumnis nachzuholen. Nachdem zunächst Gerhard Marcks und Richard Scheibe, der bereits die Totenmaske abgenommen hatte, in Erwägung gezogen wurden, fiel die Wahl schließlich auf Bernhard Heiliger als ausführender Bildhauer. Fast zeitgleich erteilten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die Reuter 1928 gegründet hatte, bereits einen ersten Porträtauftrag an den Künstler. Beide Werke wurden anlässlich des ersten Todestags des ehemaligen Bürgermeisters am 29. September 1954 in zwei aufeinanderfolgenden Feierstunden vor dem Sitzungssaal des Abgeordnetenhauses in Schöneberg sowie im Hauptgebäude der BVG am Kleistpark aufgestellt. Da sich die Varianten kaum in ihrer Ausführung unterscheiden, wurde mit dem dritten Werkverzeichnis ab 2005 eine Differenzierung aufgehoben.
Der Kopf Ernst Reuter gehört zu den wenigen Porträtauftragswerken des Künstlers, der in einer sehr hohen Auflage gegossen wurde und heute u.a. in der Sammlung des Museum of Modern Art in New York vertreten ist. Da Heiliger den Kopf postum anfertigte, musste er für die Gestaltung auf Fotografien und wenige Filmaufnahmen zurückgreifen, anhand derer er die Persönlichkeit Reuters herausarbeitete. Der leicht geöffnete Mund sowie die nach oben gezogenen Augenbrauen zeigen Reuter in der Mimik eines Redners. Heiliger präsentiert die Augen des Dargestellten als, in dieser Werkphase typisch, kreisrunde Einkerbungen in einer abstrakten Form. Auch die nur leicht ausgearbeiteten Ohren sind ein Merkmal seiner Köpfe sowie der individuelle Abschluss der abstrakten Halsform, die ohne die Andeutung von Schultern auskommt.